Sie war eine der großen Positivüberraschungen der ansonsten bescheiden erfolgreich absolvierten Weltmeisterschaft. Wiebke Silge (Foto oben) aus dem Sportinternat rückte in der A-Nationalmannschaft des Deutschen Volleyballverbandes in 2014 in den Fokus. 19 Länderspiele stehen zu Buche für die 18-jährige Mittelblockerin des USC Münster, die im ersten Halbjahr 2015 ein anderes Ziel gewissenhafter verfolgt, als um jeden Preis auf dem Spielfeld zu glänzen.
An der NRW-Sportschule Pascal-Gymnasium wird sich Wiebke den Vorbereitungen zu den Abiturprüfungen und den „Tagen X“ in der Schule widmen. „Und da will ich gut abschneiden. Von dem Abschluss hängt schließlich meine Zukunft ab“, liegen die Prioritäten bis zum Mai auf der Hand.
Die Nationalmannschaftspause dürfte sich mit den ersten Pflichtterminen nach der Bundesligaserie erledigt haben, vielleicht passt das ja. „Das Lernen hat Vorrang bis zum letzten Tag.“ Die Europameisterschaft in Belgien und den Niederlanden mit Vorrundenaufgaben gegen Serbien, Rumänien und Tschechien steigt ab dem 26. September.
Guidetti-Abschied per E-Mail
Dass Wiebke nach dem voll gepackten letzten Jahr erneut eingeladen wird, dürfte außer Frage stehen. Sie wird freilich den Bundestrainer nicht wiedersehen, der ihr vertraute. Giovanni Guidetti und der Verband haben sich nach Aufarbeitung des WM-Auftritts auf eine Beendigung der Zusammenarbeit verständigt. Wiebke hat das verwundert. Der Coach erklärte sich unlängst kurz allen Spielerinnen in persönlichen E-Mails. „Der hat richtig was drauf, der kann die Taktik gut erklären und gibt eine Unmenge an Wissen an die Spielerinnen weiter. Er ist einer der besten Trainer überhaupt.“
Mit der U19-Auswahl gerade aus Slowenien zurück gekehrt, folgte Wiebke im Mai 2014 einer Einladung Guidettis zum Lehrgang nach Heidelberg. Weiter ging es zum Turnier im schweizerischen Montreux, wo Wiebke am 27. Mai gegen die USA debütierte. Von da an war ihr ein Platz im Kader sicher, von da an gehörten Reiseplanungen zum Alltag. Statt zum Gymnasium zu gehen, nahm sie die Flieger nicht nur durch Europa. Bis zum letzten WM-Spiel gegen Aserbaidschan (3:0) am 5. Oktober, mit dem im italienischen Triest Rang neun erreicht wurde.
Jede Menge Lernstoff nachgeholt
Die – inzwischen zurück getretene – Weltklasse-Mittelblockerin Christiane Fürst (342 Länderspiele) war Wiebke eine echte Ratgeberin. „Die hat mir sehr geholfen und zu spüren gegeben, dass sie auch daran interessiert ist, dass im deutschen Volleyball Talente geformt werden sollen. Christiane ist auf der Position, die ich ja auch bekleide, die Beste. Keine Frage!“
Überhaupt haben es die etablierten Spielerinnen den jungen Nachrückerinnen leicht gemacht, Fuß zu fassen. „Da kommt wirklich jede auf einen zu, schon ist man im Gespräch.“ Mit Jennifer Pettke (jetzt VC Wiesbaden), die mit 25 Jahren ihr Debüt im A-Team gab, hatte sie während der Maßnahmen am meisten zu tun.
Ein komplettes Schul-Quartal verpasste Wiebke, suchte und fand Möglichkeiten, das Minus abzufangen. Pascal-Lehrer Niels Westphal, Koordinator für die Sport-Asse des Internats, regelte Angelegenheiten an der Penne, wenn die Nationalspielerin mal wieder frei haben musste. Wiebke schrieb zugeschickte Klausuren auf Lehrgängen, unter Beobachtung versteht sich. Wiebke sagt: „Wir wissen zu schätzen, dass Lehrerinnen und Lehrer es grundsätzlich tolerieren, wenn wir einmal andere Prioritäten setzen müssen.“
Nach Rückkehr in den Schulalltag bekam Wiebke freilich nichts geschenkt. In ihren Freistunden erteilte Westphal Mathe-Nachhilfe. Wiebke sah zu, in anderen Fächern das Versäumte auf eigene Faust nachzuholen. „Das klappt nie in allen Fächern zugleich, aber irgendwann war ich auf dem Stand der anderen.“ In den Leistungskursen Mathe und Englisch, in Sozialwissenschaften und Spanisch wird sie sich im Abi den Prüfungen stellen. „Ich rechne mir keinen Notenschnitt hoch. Bisher ist alles im Rahmen.“
Professionelle Beratung
Und bisher ist Wiebke noch im Unklaren darüber, was sie nach Beendigung der Schullaufbahn so machen wird. „Ich weiß es wirklich noch nicht“, spricht sie im Internat darüber, bespricht sich mit ihren Eltern, die sie einst beim BSV Ostbevern angemeldet haben und seither den Lauf ihrer Tochter verfolgen. „Es kann ein Studium sein, es kann eine Ausbildung sein. Ich bin da offen.“
An den USC Münster ist sie bis Saisonschluss gebunden. Volleyball auf hohem Niveau will Wiebke auch künftig spielen. Als Beraterinnen in Sachen sportlicher Lebensplanung stehen ihr zwei Expertinnen zur Seite: Angelina Hübner (geborene Grün) und Rechtsanwältin Dr. Judith Pelzer (geborene Flemig) kümmern sich mit der Agentur „GreenFlameSports“ um Management und Mentoring, wie es geschrieben steht. Beide spielten einst für den USC und wollen jetzt ihr Knowhow an nachrückende Asse weitergeben.